Was ist Legasthenie?

Legasthenie, Lese- /Rechtschreibschwäche oder was?

Seit mehr als 100 Jahren spricht man von Legasthenie. Gemeint war ursprünglich ein Rückstand in der geistigen Entwicklung des Kindes, die sich darin äußerte, dass das Kind nicht lesen lernte. In den 1950er stellten Wissenschaftler fest, dass Schwierigkeiten beim Lesen- und Schreibenlernen nichts mit Intelligenzmangel zu tun haben, denn die Kinder zeigten oft in anderen Bereichen gute bis sehr gute Leistungen.

In den 1970er Jahren wollte man den betroffenen Kindern helfen, indem man sie von der Deutschnote befreite. Das bedeutete aber auch oft, dass die Kinder nur noch „mitliefen“ und nicht mehr gefördert wurden. Sie waren als „Legastheniker“ abgestempelt, so dass sie schließlich selbst glaubten, sie seien einfach „zu dumm“. Das hatte mitunter dramatische Folgen bis ins Erwachsenenalter hinein, wo sie dann als sogenannte „funktionale Analphabeten“ mühsam versuchten, in der Welt der Schriftsprache zurecht zu kommen.
Heute werden die Probleme der Kinder, altersgemäß Lesen und Schreiben zu lernen, meist als Leserechtschreibschwäche (LRS) bezeichnet. In einigen Bundesländern, z. B. in Bayern, wird versucht, den Ausprägungsgrad der Schwierigkeiten durch unterschiedliche Begriffe zu klassifizieren: Legasthenie ist demnach eine biologisch bedingte, nur schwer therapierbare Krankheit, eine Lese-/Rechtschreibschwäche eine vorübergehende Erscheinung mit unterschiedlichen Ursachen.

Welchen Begriff man auch immer verwendet – das Symptom ist das gleiche: Lesen und Schreiben lernen ist für das Kind so schwierig, dass es in der Schule nicht mehr mitkommt. Über die Ursachen, Verbindungen mit der gesamten Entwicklung des Kindes und über soziale und schulische Zusammenhänge lassen sich meist keine zuverlässigen Aussagen machen. Der Ausprägegrad der Schwierigkeiten ist ebenfalls von Kind zu Kind verschieden.

Woran erkennt man eine Lese-/Rechtschreibschwäche (LRS)?

Zunächst fällt Lehrern und Eltern auf, dass das Kind nicht im gleichen Umfang Lesen und Schreiben lernt wie die gleichaltrigen Mitschüler. Eine genauere Beobachtung zeigt: Beim Lesen lässt es einzelne Buchstaben aus oder verdreht sie, es überspringt ganze Wörter oder rät, es liest insgesamt langsam und stockend und hat am Ende eines Satzes nicht verstanden, was es gerade gelesen hat. Beim Schreiben fallen ebenfalls Auslassungen, Vertauschung oder Hinzufügungen von Buchstaben auf. Oft klingen die Wörter „richtig“, wenn man sie laut ausspricht, d. h. das Kind schreibt so, wie es die Wörter hört.

Diese Fehler sind bei fast allen Kindern in einer bestimmten Phase im Schriftspracherwerb zu beobachten. Entscheidend ist, ob ein Kind in einer früheren Phase „hängen geblieben“ ist und z. B. im vierten Schuljahr noch wie ein Schulanfänger liest und schreibt.
Um eine LRS zu diagnostizieren reicht ein einzelner Rechtschreibtest allein nicht aus. Wichtig ist, das Kind in seiner gesamten Entwicklung zu sehen und andere mögliche Ursachen (wie z. B. Seh- oder Höreinschränkungen) auszuschließen. Eine LRS kann daher nur von entsprechenden Fachleuten, wie z. B. Kinder- und Jugendpsychiatern oder LerntherapeutInnen, festgestellt werden.

Erlass in NRW

1991 erließ das Land Nordrhein Westfalen einen Erlass, der nicht zwischen Legasthenie und Lese-/Rechtschreibschwäche unterscheidet und für alle Kinder, die Schwierigkeiten beim Erlernen der Schriftsprache haben, den sog. Nachteilsausgleich sowie das Recht auf Fördermaßnahmen festschreibt. Dieser Erlass räumt den Schulen einen recht großen Spielraum ein, um die betroffenen SchülerInnen zu entlasten und sie angemessen zu fördern.